„Wir wollen Eltern werden“, mit dieser Entscheidung begann vor knapp 4 Jahren unsere Reise vom Ehepaar zur Familie. Doch was erwartet uns auf diesem Weg, was bedeutet Schwangerschaft und wie geht Geburt? In vielen Büchern und Podcasts setzte sich vor allem meine Frau (Maja), damals 24 Jahre alt, mit diesen Themen auseinander und wir waren uns bald einig: Schwangerschaft ist etwas natürliches, Geburt etwas wunderbares und die Natur hat uns alles mitgegeben was es dafür braucht.
Daher entschieden wir uns für eine außerklinische Geburt im Geburtshaus und als der Schwangerschaftstest positiv war, haben wir uns direkt einen Termin in Stuttgart gesichert.
Diese Entscheidung hat in unserem Umfeld gemischte Reaktionen hervorgerufen. Auch wenn es evtl. Unsicherheit im Kreis der Familie gab, so respektierten und unterstützen alle diese Entscheidung.
Die langjährige Frauenärztin meiner Frau zeigte sich jedoch höchst unkooperativ und war nicht bereit uns auf diesem Weg zu begleiten. Ein Arztwechsel, den wir nie bereut haben, half jedoch über diese Hürde hinweg.
Die gemütlichen Räumlichkeiten, die herzlichen Hebammen, eine Atmosphäre der Sicherheit und der tolle Geburtsvorbereitungskurs, sind nur ein paar Gründe dafür, weswegen wir uns von Termin zu Termin mehr auf die Geburt im Geburtshaus gefreut haben.
Und eines Samstagsabends war es dann soweit, gegen 23 Uhr teilt mir Maja mit, dass Sie regelmäßig ein intensives Ziehen im Unterleib spürt und die Geburt beginnt.
Noch völlig entspannt, mit dem Wissen, dass es jetzt auch noch einige Stunden dauern kann, mache ich Ihr eine Wärmflasche, zünde Kerzen an und stelle eine Flasche Wasser bereit. Auch weitere ToDos von meiner Checkliste, wie das vervollständigen der Tasche fürs Geburtshaus mit Mutterpass, Snacks, etc. werden von mir erledigt, während Maja es sich im Bett bequem macht und in Ihre Meditation („Die friedliche Geburt“) sinkt, wie Sie es sich gewünscht und schon häufig geübt hat.
Regelmäßig ist Ihr Atmen und leises Stöhnen zu hören, gefolgt von einer Pause der Stille.
Ich halte es für eine gute Idee jetzt noch etwas Schlaf zu tanken, da ich bereits einen langen Arbeitstag hinter mir habe. Keine 10 Minuten nachdem ich mich hingelegt habe, kann ich Majas Wellen jetzt jedoch schon deutlicher hören. Zwischen Ihnen liegen auch nur noch 3 Minuten und Maja liegt mittlerweile auch nichtmehr im Bett, sondern abwechselnd auf dem Gymnastikball und dem Teppichboden des Schlafzimmers.
Daher rufe ich nun um 01:30 Uhr unsere Hebamme Corinna an und schildere die aktuelle Lage.
Die kann Majas Wellen schon durchs Telefon hören, erkennt die Dynamik und wir beschließen uns demnächst auf den Weg ins Geburtshaus zu machen.
Nachdem die Checklisten nochmals geprüft und alle Taschen im Auto verstaut sind, geleite ich Maja in einer Wehenpause zum Auto und fahre mit Ihr ins Geburtshaus, welches wir gegen 02:30 Uhr erreichen. Dort wartet Corinna bereits und hilft Maja in den Geburtsraum, während ich das Gepäck auslade.
Als ich das Geburtshaus betrete fällt mir direkt die Pfütze auf, die Fruchtblase ist geplatzt.
Maja ist weiter voll bei sich, nutzt die kürzer werdenden Pausen zwischen den Wellen um auf einer Matte liegend Kräfte zu sammeln und einen Schluck Wasser zu trinken den ich Ihr anreiche.
Corinna prüft regelmäßig die Herztöne des Babys und kommuniziert dabei ruhig und nur das nötigste, um Maja nicht unnötig in der Meditation zu stören.
Da der Herzschlag des Babys sich jedoch von Messung zu Messung verlangsamt muss Corinna die Entscheidung treffen, zur Sicherheit eine Verlegung ins Krankenhaus einzuleiten. Sie bittet Constanze, die zweite Hebamme die mittlerweile ebenfalls eingetroffen ist, den Notruf zu wählen.
Gleichzeitig beruhigt Sie uns und animiert Maja nun aktiv dazu die Wellen zu nutzen, um dem Baby durch den Geburtskanal zu helfen. Unter tiefem Atmen und mit beeindruckender Willenskraft schiebt Maja durch die gesamte Welle und darüber hinaus, Sie kann das Köpfchen schon in Ihrer Hand spüren… und plötzlich ist es da!
Maja nimmt unser schreiendes Wunder überglücklich entgegen, drückt es an sich. Corinna prüft nochmals den Herzschlag, der sich glücklicherweise direkt wieder normalisiert hat. Der Notruf kann gecancelt werden und wir genießen einige Minuten ungestört diesen unvergesslichen Augenblick.
Ein gesunder Junge, 49cm groß und 3190g schwer, kam um 03:34 Uhr in dieser Nacht im März 2021 zur Welt.
Zehn Minuten später wird auch die Plazenta geboren und wir drei legen uns gemeinsam ins Bett.
Wir haben Zeit für uns die Situation zu realisieren und der kleine Theo erzählt lautstark von seinen Eindrücken. Nachdem sie auspulsiert ist, darf ich die Nabelschnur durchschneiden. Theo gelingt es nach mehreren Anläufen dann auch noch das erste Mal an der Brust zu saugen, bevor wir von Constanze die Plazenta gezeigt und erklärt bekommen.
Dann werden Majas Geburtsverletzungen mit viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen von den Hebammen behandelt und genäht.
Nachdem Theo dann auch noch die zweite Brust entdeckt hat, darf er nun zu mir auf den Arm.
Ich kann den Moment mit meinem Sohn ebenfalls in Ruhe genießen und das Wunder in vollen Zügen genießen, bevor Theo dann zum ersten Mal gewogen und vermessen wird. Während Maja sich duschen geht darf ich unseren Sohn nun anziehen.
Und dann ist es auch schon so weit, gegen 07:00 Uhr treten wir hellwach, stolz und noch voller Adrenalin, mit einem schlafenden Baby im Maxi Cosi die Heimfahrt an.

Wie unsere Erfahrung zeigt, sind sich die Hebammen Ihrer Verantwortung natürlich bewusst und wir haben uns zu keinem Moment unsicher gefühlt. Im Ernstfall wäre in wenigen Minuten ärztliche Unterstützung da gewesen. Wir sind unendlich Dankbar, dass es diese nicht gebraucht hat und wir am Ende eine wunderschöne Geburtserfahrung teilen können.

Als Maja dann im Herbst 2022 wieder schwanger war und wir abermals einen Platz im Geburtshaus bekommen hatten, waren wir im Glück. Corinna ist bereit uns ein weiteres Mal zu begleiten. Die Vorsorgeuntersuchungen in der zweiten Schwangerschaft fühlten sich an wie nach Hause zu kommen, obwohl die Geburtsräumlichkeiten in der Zwischenzeit liebevoll renoviert und modernisiert wurden. Theo konnte nun die Räume selbst begehen in denen er zwei Jahre zuvor das Licht der Welt erblickte und fasziniert verfolgen, wie entspannt und einfühlsam eine Vorsorgeuntersuchung in der Hebammenpraxis abläuft. Das Spielzeug in den Zimmern verkürzte Ihm die Wartezeit bei den Formalitäten und wurde links liegen gelassen, sobald es an das Babybauch tasten und Herztöne hören ging.
So konnten wir als kleine Familie die Schwangerschaft nochmal aus einem anderen Blickwinkel erleben und 9 Monate später war es dann so weit.
Wieder ist es ein Samstagabend, als Maja mir gegen 23:20 Uhr mitteilt, dass Sie sich aufs Sofa zurückziehen möchte, da Sie das aus den Übungswellen bereits bekannte ziehen heute stärker spüre als in den letzten Tagen. In mir kommt euphorische Vorfreude auf und ich bringe Ihr eine Wärmflasche, sowie die Lautsprecherbox für die Meditation.
Als ich gerade beginne die Checklisten zu prüfen und die Taschen fertig zu machen höre ich durchs Babyphone das Theo aufgewacht ist. Er hat das Fehlen von Mama im Schlafzimmer bemerkt und beginnt zu weinen. Um Ihn zu beruhigen kommt Maja nochmals dazu, hält es jedoch keine 5 Minuten aus und tritt unter Atmen und stöhnen den Rückweg ins Wohnzimmer an.
„Die Intensität hat sich jetzt aber rasant gesteigert“, denke ich mir und versuche mit Theo im Arm abzuschätzen wie lange die Pausen zwischen den Wellen sind. Gleichzeitig rufe ich Majas Schwester an, die sich als Tante bereit erklärt hat jederzeit vorbeizukommen um während der Geburt auf Theo aufzupassen. Da kommt auch schon die nächste Welle und die ist selbst im Schlafzimmer deutlich zu hören. Das waren keine 5 Minuten mehr zur vorherigen.
Also rufe ich bereits um 00:07 Uhr Corinna an und sage Ihr, dass wir direkt los fahren werden, sobald Theo versorgt ist. In den nächsten etwas chaotischen Minuten packe ich schnellst möglich das Wichtigste zusammen, versorge die bereits sichtlich angestrengte Maja mit Wasser und versuch gleichzeitig Theo gerecht zu werden, der aufgrund der ungewohnten Situation ebenfalls Aufmerksamkeit einfordert.
Auch wenn Maja bereits sehr routiniert in der Anwendung der Meditationstechniken ist, tut sie sich aufgrund des intensiven Starts der Wellen und der Hektik um sie herum deutlich schwerer abzuschalten.
Daher bekomme ich von Ihr auf die Frage, ob wir bei diesen intensiven Wellen, die mittlerweile im Abstand von 2-3 Minuten kommen, lieber zuhause bleiben sollen, ein deutliches: „Nein! Wir fahren!“, zur Antwort.
Theos Tante ist mittlerweile eingetroffen und um 00:25 Uhr lade ich Maja und die Taschen ins Auto. Auch wenn es nur die Treppe aus dem ersten Stock ist, so benötigt Maja auf halber Strecke trotzdem nochmals eine Pause um eine weitere Welle zu veratmen.
Dann beginnt eine zügige Fahrt. Man spürt wie in Maja eine gewisse Ruhe einkehrt und sie in die Meditation sinken kann, auch wenn dies die häufigen kräftigen Wellen keinesfalls mindert.
Um 00:50 Uhr erreichen wir das Geburtshaus, wo uns wie beim letzten Mal Corinna bereits erwartet.
Wieder kümmert Sie sich direkt um Maja und weißt mich an, nur das nötigste mit rein zu nehmen, da sie deutlich hören kann wie weit die Geburt bereits fortgeschritten ist und das Maja in den Wellen bereits schiebt.
Im Geburtsraum kniet sich Maja direkt vor das Bett, welches Corinna und ich rasch mit unserem Bettbezug überziehen. Noch schnell die mitgebrachten Handtücher an Adaja übergeben, die als zweite Hebamme unterstützt und dann zurück zu Maja die nun ihre Hose ausgezogen hat und ganz bei sich ist.
Sie kann bereits das Köpfchen tasten und dann springt um Punkt 01:00 Uhr die Fruchtblase.
Ab hier kann ich nur noch fasziniert das Wunder der Geburt bestaunen. Um 01:03 Uhr wird der Kopf unseres Babys geboren, welchen Maja die im Vierfüßler Stand kniet immer noch in der Hand hält. Diese langen Sekunden in denen zwar der Kopf geboren, unser Kind jedoch noch nicht auf dieser Welt war, werde ich niemals vergessen. Und dann kommt die nächste und letzte Welle, das Kind wird geboren und Maja nimmt es direkt entgegen, wie es Ihr Wunsch war. Die Glücksgefühle die dieses nackte, schreiende Lebewesen in diesem Moment in uns Eltern auslöst, lassen sich nicht in Worte fassen.
Um 01:05 Uhr kommt Ende Juni 2023 unser gesunder Sohn Jona, 50cm groß und 3200g schwer, an der selben Stelle wie knapp 27 Monate zuvor sein Bruder Theo zur Welt.
So eilig wie Jona, den Maja fest in Ihren Armen hält, hat es auch die Plazenta, die 6 Minuten nach ihm an einem Stück geboren wird.
Wie bereits bei der ersten Geburt beschrieben, legen wir uns nun zu dritt ins Bett, Jona gelingt es bereits nach wenigen Minuten das erste Mal zu trinken und nach einer entspannten Phase des Ankommens, der Wunderversorgung und der U1 Untersuchung, geht Maja sich duschen und ich darf den Kleinen zum ersten Mal anziehen.
Um 04:00 Uhr treten wir die Heimreise an und werden zuhause von einem neugierigen Theo empfangen, der von seiner Tante und uns im Vorfeld auf diese Situation vorbereitet wurde und nun interessiert und fröhlich seinen Bruder begutachtet.
An dieser Stelle möchten wir uns als Familie ganz herzlich bei Corinna, aber auch allen anderen Hebammen bedanken, ohne die eine außerklinische Geburt im Geburtshaus nicht möglich wäre.
Außerdem wollen wir alle werdenden Eltern dazu ermutigen die Chance einer Geburt in dieser Umgebung, oder direkt Zuhause wahrzunehmen.
Und all den Geburtsbegleitern, wie ich als Papa es sein durfte, wünsche ich viel Einfühlungsvermögen und Kraft. Vertraut den gebärenden Frauen und Ihrem Bauchgefühl, genießt es an diesem Wunder teilhaben zu dürfen, bestaunt die Energie welche in der Geburt entfesselt wird und unterstütz sie dabei wo nötig.

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