Pfingstsonntag: Morgens zwischen sechs und sieben wachte ich auf, diesmal war es aber nicht nur der Schwangerschaftshunger der mich täglich so früh aus dem Bett trieb, sondern da waren auch noch leichte Wehen – alle zehn Minuten etwa. Nicht zu heftig, aber vielleicht würde sich da ja noch was tun heute.
Beim Frühstück verkündete ich dann, dass das Baby heute vielleicht ausziehen will – die Brüder waren natürlich sehr aufgeregt. Nach drei Stunden und einer warmen Dusche wurden die Wehen dann weniger, die Abstände größer. Ich beklagte mich schon, dass ich nun noch länger warten sollte. Nur noch ganz selten kam eine, da nutzte es auch nichts dass die eine oder andere schon intensiver war als das Geplänkel am Morgen.
Wir beschlossen, trotzdem später einen Geburtstagskuchen zu backen, den kann man ja auch so essen. Ich legte mich immer wieder mal für eine halbe Stunde hin, mein Mann hielt die Kinder in Schach.
Mittags (das wird so gegen halb zwölf gewesen sein) kochten wir zusammen (wobei ich mich bei einer Wehe zum ersten Mal in die Hocke begeben musste um sie besser auszuhalten), nach dem Essen gingen wir auf den Bauernhof, um die Kleinen zu beschäftigen. Irgendwann davor oder danach habe ich Constanze angerufen, um sie vorzuwarnen dass sie heute Nacht vielleicht gebraucht wird. Sie meinte noch, dass es möglicherweise nicht so lange dauert, wenn ich schon in die Knie gehe zum wehen, ich war aber überzeugt, dass hier tagsüber mit der Rasselbande im wachen Zustand nichts laufen wird.
Nun ja, auf dem Bauernhof hab ich zweimal einen Kniefall vor den Kühen gemacht, und auch schon ein bißchen veratmen müssen. Wir sind dann recht spontan wieder heim, und haben angefangen den Kuchen zu backen. Ich hab alle Zutaten freiwillig aus dem Keller geholt, weil ich nicht wollte dass die Wehen wieder einschlafen und Treppensteigen ja helfen soll. Tatsächlich wurden sie eher häufiger und stärker, so dass wir die Kleinen dann gegen 16.30 noch für eine Stunde zu den Nachbarn gebracht haben. Der Große ist zu einem Freund, und ich wollte dann gegen 17.00 Uhr in die Wanne. Dort musste ich die Wehen dann schon vertönen, es war aber noch nicht schlimm, ich konnte sie gut annehmen, mich richtig weit aufmachen und in die Wehen eintauchen. Mein Mann hat immer wieder nach mit geschaut, wobei er jedes Mal eine Wehe mitgebracht hat…
Nebenbei hat er das Essen für die Jungs gerichtet und auf meine Bitte hin nochmal die Constanze angerufen. Sie war gerade noch bei einer anderen Geburt, wollte noch auf die Plazenta warten und dann kommen.
Ich habe weiterhin getönt, die Abstände wurden immer kürzer und die Intensität heftiger. Aber es war alles gut,ich war voller Vorfreude auf mein Kind, habe ihm gesagt dass er kommen darf, und auch die Phasen die ich alleine in der Wanne war genossen. Es war teilweise mehr ein Singen als „nur“ Tönen, Zeitgefühl hatte ich gar keines mehr und auch mein Mann meinte, dass ich während der Wehen ganz woanders war. Immer wieder habe ich weit geöffnete Blüten (die Clematis aus unserem Garten) visualisiert, mich ganz bewusst weich, entspannt und auf gemacht, den Mund locker gelassen – alles, was ich halt so kenne um die Eröffnung zu unterstützen.
Die ganze Zeit hatte ich eine super Verbindung zum Baby, hab mit ihm gesprochen und seine Bewegungen gespürt, wusste, dass es ihm gut geht. Irgendwann bin ich von der Rückenlage in den Kniestand gewechselt, währende der Wehen bin ich in den Vierfüßler gegangen.
Die Stimmung war vollkommen ruhig, wir haben kaum geredet, ich konnte mich ganz auf die Geburt konzentrieren.
Zwischendurch habe ich mal getastet wie weit ich schon bin, konnte es aber nicht richtig zuordnen. (Wobei ich inzwischen glaube, dass ich da schon sehr weit war und die FB gespürt habe)
Mittlerweile waren die Wehen schon heftiger, aber nicht so dass ich mich hilflos gefühlt hätte. Auch dieses „Ich will nicht mehr, ich schaff das nicht“-Gefühl blieb diesmal völlig aus.
Gegen 18.40 Uhr kam die Constanze an, sie sagte kurz Hallo und fragte mich, was ich meine wie weit ich schon bin. (Was bin ich ihr dankbar für ihre Zurückhaltung – kein Gefummel durch vaginale Untersuchungen, was ich von meinen vorherigen Geburten als recht schmerzhaft in Erinnerung habe!) Ich meinte dass ich mich wohl anhöre wie sonst in der Übergangsphase, konnte es aber kaum glauben, weil die ganze Geburtsarbeit bisher so leicht gegangen war. Sie schaute einmal kurz nach den Herztönen und lies uns dann allein.
Irgendwann sagte ich meinem Mann dass er sie wieder holen soll, sie half mir dann auf meinen Wunsch hin aus der Wanne. Im Flur musste ich nochmal eine Wehe auf dem Boden im Vierfüßler veratmen, in der nächsten Pause haben wir es ins Schlafzimmer geschafft. Zwischen Bett und Heizung, auf einer Kindermatratze begann dann die Austreibungsphase .Ich habe zwischen Kniestand, hohem Vierfüßler und Hocke hin- und hergewechselt, ganz so wie es angenehm war.
Ich fragte noch ob Constanze schauen kann wie weit ich bin, sie meinte nur „Lass uns mal abwarten was die nächste Wehe bringt“ – tja, da platzte dann auch schon die Fruchtblase. So ein wundervolles, erleichterndes Gefühl!
Die Austreibungsphase selbst war zwar gewaltig, aber ich habe die Kontrolle komplett an meinen Körper und das Kind abgeben können. Ich dachte mir noch „Nicht ICH PRESSE mein Kind heraus, das geht von allein“ Und so hat es sich auch angefühlt. Mit meinen Händen habe ich das Köpfchen in Empfang genommen, und den Druck auf den Damm so gut mitsteuern können.
Ganz deutlich hab ich den „Ring of fire“ gespürt, und auch deutlich mitgeteilt dass es jetzt schon wehtut, wusste aber im gleichen Moment dass mein Kind gleich da ist und dass genug Platz da ist um es heraus zu lassen.
Als das Köpfchen geboren war bremste Constanze mich aus („Mach langsam, er muss sich doch drehen“), mein Körper hat auch ohne Wehe weitergeschoben, und ich hatte den Eindruck dass auch der Zwerg sich weiter raus arbeitet. Mit den nächsten Wehen (eine? Zwei?) wurde unser Sohn dann geboren. (Laut Geburtsbericht der Hebamme OHNE sich komplett ausrotiert zu haben.)
Bei der Geburt hatte er seine Hand am Kopf, was aber absolut nicht gestört hat. Constanze hat ihn vorsichtig rausgeleitet (aber nicht richtig hochgenommen), so dass er dann auf Matratze lag. Der Kleine hat kurz gemeckert und wurde schnell rosig.
Ich habe ihn hochgenommen, bin mit Hilfe der Hebamme und meines Mannes aufs Bett geklettert und habe mir den Kleinen auf den Bauch gelegt. Zunächst lag er ziemlich weit unten, so dass der erste Blickkontakt mehr mit dem Papa als mit mir war. Mir hat es in dem Moment aber völlig gereicht, ihn auf dem Bauch zu haben, zu streicheln, zu riechen und die beiden beim Begrüßen zu beobachten.
Gerade mal 10 min. nach der Geburt holte mein Mann die Geschwister dazu, die ihren neuen Bruder bestaunten und willkommen hießen.
Bis zur Geburt der Plazenta habe ich keinen Tropfen Blut verloren, was sogar die Hebamme erstaunt hat – beim fünften Kind schien meine Gebärmutter wohl gut im Training zu sein…
(Von wegen Vielgebärende sind als Geburtsrisiko zu sehen!)
Die Plazenta kam erst ca. eine Stunde später, mit angedocktem Baby über einer Schüssel hockend, abgenabelt haben wir erst danach. All die Dinge, die ich für die Geburt vorbereitet hatte, wurden gar nicht benötigt – alles was ich brauchte war das Lavendel-Entspannungsbad und ein Glas O-Saft-Schorle.
Die erste Nacht war absolut zauberhaft – ich bestaunte den Kleinen, stillte ab und zu und fühlte mich von der Geburt kein bisschen mitgenommen sondern vielmehr total energiegeladen und stark.
Die Geburt war perfekt – ich habe keinerlei Verletzungen, von einer kleinen Schürfung abgesehen, die aber auch nur beim ersten Mal Pinkeln nach der Geburt kurz gebrannt hat. Ich war total selbstbestimmt, konnte mich ganz dem Geschehen hingeben weil mir niemand reingeredet hat, wurde keine Sekunde von meinem Kind getrennt.
Wir konnten ungestörten Hautkontakt genießen – erst am Mittag des nächsten Tages bekam A. Eine Windel an (nachdem er die erste Ladung Mekonium auf mir abgeladen hatte), auch ich habe mir erst was übergeworfen als die Nachsorge-Hebamme kam.
Nach vier KH-Geburten, von denen besonders die letzte gar nicht so lief wie ich es mir gewünscht hatte, war diese Geburt so heilsam für mich! Nachdem viele Verletzungen der letzten Geburt nochmal hochkamen (auch in intensiven Träumen), merke ich, dass ich meinen Frieden damit mache.
Hier noch die Maße:
3360 g schwer – mein bisher schwerstes Kind
52 cm lang
35 cm KU
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