Luise hat uns alle und vor allem mich ziemlich überrascht. Hebamme M. und ich, wir waren uns so sicher, dass die Geburt erst im neuen Jahr stattfinden wird: Luise wird länger als der vorgesehene Termin (28. Dez.) brauchen! Das hat sie auch, aber nur 3Tage bis zum 31. Dezember….
Ich war bis zuletzt in der Schwangerschaft körperlich gut aktiv – das Fahrradfahren habe ich erst 10 Tage vor der Geburt eingestellt, weil es mir körperlich zu umständlich wurde.
Am Tag vor der Geburt war ich noch gut mit den letzten Dingen eines Umzuges beschäftigt, als es bei mir im Bauch immer wieder mal ein bischen zu ziehen begann, ähnlich kleinem Periodenschmerz. Ich dachte: „ah, super, da sind ja endlich die Übungswehen! Voll gut in der Zeit, nächste Woche könnte dann die Geburt kommen und hier ist bis dahin alles erledigt…“ und so hab ich weiter gemacht im Programm, turnend zwischen Kisten und Putzeimern.
Das Ziehen hielt an, auch in der Nacht zum 31.Dez. Ich dachte mir nichts weiter dabei, auch weil es keine „richtigen“ Schmerzen waren, wie ich mir eben Wehen so vorgestellt habe.
Am Morgen war das Ziehen immer noch da und unter der Dusche dachte ich – ich hab noch nie den Muttermund getastet, vielleicht sollte ich das mal tun um zu wissen, wie er sich anfühlt, bevor es losgeht. Ich hab dann nichts vergleichbares gespürt, wie es im Vorbereitungskurs beschrieben wurde. Das Ziehen wurde darauf hin stärker – habe ich Luise damit die Richtung „bestätigt/ gelockt“? Jedenfalls wurde das Ziehen kräftiger und häufiger und habe ich mich entschieden die Rufbereitschaft anzurufen und zu fragen, ob mal jemand vom Fach nachschauen kann. Das war dann E. Sie meinte, sie wär in ca 1 1/2 h da um mal nach zu tasten. Das hat Florian und mich dann beruhigt und wir wollten weiter machen mit den Planungen zur Sylvesternacht. Das Ziehen wurde aber immer stärker und stärker und da tauchte bei mir zum ersten mal der Gedanke auf, dass es ja auch heute schon losgehen könnte. so habe ich Florian aufgetragen, das Auto heute schon in die Nähe der Wohnung parken. eine halbe stunde später bat ich ihn, das Auto jetzt zu holen, damit wir wie geplant ganz schnell ins Geburtshaus fahren könnten und 10 Minuten später bat ich ihn, vielleicht doch lieber bei mir zu bleiben und E. noch mal anzurufen.
Das Ziehen ist nun so stark geworden, dass ich während dessen innehalten mußte und mich nicht mehr bewegen konnte. Instinktiv habe ich Kontakt mit dem Boden gesucht und die Ellbogen auf einen Schemel aufgestützt hockte ich mich in den Pausen immer wieder auf die Fersen, das Stöhnen wurde nun lauter, ich fing an, etwas in der Faust krampfhaft festzuhalten und aber das Becken möglichst loszulassen – E., die Florian angerufen hatte um sie sofort herzubitten hörte es am Telefon und war dann relativ schnell bei uns.
Wie ich mittlerweile so kniete, aufgestützt auf den Hocker wurde mir in den Pausen klar, dass dies nun unentrinnbar und unerbittlich vorangehen wird, bis das Kind auf der Welt ist – ich kann nichts mehr aufhalten, stoppen oder kontrollieren, so eine überwältigende Energie war da in meinem Körper entfesselt.
E. kam sehr ruhig in unsere Wohnung – ich nahm sie im Hintergrund wahr, wie sie sich mit Florian austauschte und sich die Hände für die Untersuchung wusch.
Die Frage nach einer Fahrt ins Geburtshaus hatte sich ganz schnell erledigt, dieser Gedanke wurde von Minute zu Minute absurder.
Das Ziehen mischte sich mit einem stärker werdenden Druck ins Becken und kam jetzt in recht starken Wellen. Die ganze Zeit der Geburt über spürte ich Florian liebevoll um mich herum, auch wenn ich nicht mehr genau sagen kann, was er getan hat, weil ich so in mich konzentriert war. Ich weiß nur noch, dass ich eine zeitlang auf seine Faust gebissen habe, als es fast vorüber war.
Nachdem klar war, es wird eine Hausgeburt und dem Kind geht es gut, zückte E. ihr Mobiltelefon um die 2. Hebamme zu rufen. da wußte ich – wenn sie jetzt schon die 2. Hebamme ruft, wird es nicht mehr lange dauern und das Kind ist da! Das war mir sehr hilfreich, auch um zu wissen, wie ich meine Kräfte einteilen kann: zwischendurch wurde mein Kreislauf immer wieder mal schwach und ich hatte Angst vor einer Ohnmacht – konnte dies aber nicht kommunizieren, weil immer schneller nun die Wellen kamen und nun auch drückende Schmerzen dabei waren. ich konnte nur „Fenster“ für frische Luft sagen , bevor die nächste Welle kam. Mein Becken wurde durch den Druck am Steißbein so auseinander geschoben, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass da dieser kleine Kopf gerade zwischen diesen dicken Beckenknochen sitzt, die sich bewegen können und ich ja eventuell eine falsche Bewegung machen könnte?
E. unterstützte mich gut,sprach mir Mut zu und hielt sich aber meistens zurück, weil die Geburt von selber im Gang war. Sie horchte immer wieder mal mit dem Dopton am Bauch nach den Herztönen. Ich selber konnte da nichts hören, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, mich auf die nächste Welle vorzubereiten. Ich erlebte die Wehen als nie gekannten, kraftvollen und energiegeladenen schmerzhaften Druck, aber nicht als reinen Schmerz. Schmerzen, wie ich sie schon kannte kamen erst auf den letzten Zentimetern, wenn der Damm aufs Maximum gedehnt wird. das war bei mir zum Glück nur eine Zerreissprobe – der warme Lappen von E. tat sehr gut, das Gewebe noch ein kleines bischen weiter zu entspannen. Sie gab mir auch immer wieder Feedback, wie weit der Kopf schon heraus war und lotste mich, ob ich mit der Wehe mit drücken soll oder eher nicht. mir war es während alle dem unmölich, zu sprechen so sehr konzentrierte sich alles in mir auf den Unterleib. es war aber auch nicht nötig, ich fühlte mich bei Eva in guten, wissenden und ruhigen Händen. K., die zweite Hebamme war mittlerweile eingetroffen. auch Sie nahm ich nur im Hintergrund war -einmal schaute ich in einer Pause kurz nach hinten und sah ihren erstaunten Blick auf mein Hinterteil: der kleine Kopf war schon sichtbar… und E. zeigte Ihr: „schau, wie das Steißbein sich bewegt!“….Welch eine Erleichterung, als der Kopf dann draussen war – und die nächste Welle verzögern wollen, weil da wieder das Denken anfing: wo wird das Kind landen wenn es jetzt raus flutscht und ich noch in meinem Vierfüßerstand bin? Natürlich war die Welle nicht aufzuhalten und E. und Florian, der schon mit den Händen den Kopf gehalten hatte, fingen Luise dann auf. Und da war auch schon diese Blitzgeburt zu Ende und ein kleines wunderschönes Kind lag zwischen meinen Beinen. Ich konnte mich endlich aus meiner Position zurücklehnen und setzen, während ich Luise samt Handtuch vorsichtig aufnahm und mir auf die Brust legte.
die Nabelschnur war sehr lang(sie war drei mal um den Hals gelegt….) und so hatten wir genug „Leine“für die Strecke bis zur Brust. ich kann mich heute nicht mehr erinnern, ob sie einen Schrei getan hat – ich glaube nicht. Sie war auch nicht blutig oder mit Käseschmiere eingehüllt, sondern wie frisch aus der Badewanne. sie suchte die Brust und ich legte sie an – alles noch etwas unbeholfen und tastend von uns beiden. Das Saugen klappte noch nicht gut, aber wir waren glücklich auf den ersten Blick verliebt.
dann kam eine letzte Welle und die Plazenta schwappte heraus- sie wurde von E. und K. in eine Schüssel gelegt. Die beiden empfahlen mir dann auch, mich Richtung Bett zu bewegen, und so schlich unsere kleine Prozession von der Wickelkommode zum Bett: Mama mit Luise und an der Schnur die Plazenta in der Schüßel, getragen von der Hebamme. Luise versuchte noch einmal zu saugen, was immer noch schwierig war, weil sie die Brust mitsamt Warze nicht richtig voll in den Mund bekam. Ich versuchte, mir hier keinen Druck zu machen – ich hatte mir im Vorfeld schon Sorgen gemacht, ob es mit dem Stillen klappen wird und wollte dies nicht in diese Situation mit hereinbringen.
Florian hatte dann die Nabelschnur nach dem Ausbluten zerschnitten und Luise auf den Arm genommen. ich wurde zur dusche begleitet. Danach beschauten wir mit den Hebammen die Plazenta und Luise, ob alles dran war. das war ungefähr eine Stunde nach dem ich im Bett gelandet war – E. und K. hatten sich solange zurück gezogen.
Die eigentliche Geburt hatte nur 3 Stunden gedauert – wir waren überwältigt und froh, dass das so komplikationslos und schnell gegangen war.
Wäre das Geburtshaus mit seinen Hebammen nicht gewesen, wäre ich wahrscheinlich mit Krankenwagen ins Krankenhaus transportiert worden und das wäre mit Sicherheit nicht so toll abgelaufen( ich kann es mir jedenfalls auch im Nachhinein nicht gut vorstellen) so konnten wir jedoch in Frieden diese Geburt bei uns zu Hause zum Ende bringen.
Dieser Texte unterliegt dem Urherberrecht. Eine Vervielfältigung oder Verbreitung – auch auszugsweise – bedarf der vorherigen Zustimmung des Urhebers.