Eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin waren wir mit Freunden am Neckar. Mir war schon den ganzen Tag schwindelig und ich hatte Kopfschmerzen. Abends merkte ich, dass die Übungswehen öfter und heftiger waren als sonst. Ich hatte starken Druck auf Scham- und Kreuzbein, spürte vermehrt Kindsbewegungen und mir war übel. Ich konnte trotzdem irgendwann einschlafen. Ab 5 Uhr morgens hatte ich Magenkrämpfe, Bauchweh und starke Schmerzen außerdem kam Schleim und etwas Blut beim Pinkeln. Nachmittags rief ich Corinna an und schilderte ihr alles ausführlich. Sie sagte: „Hey, das ist super, dass Du das alles hast, aber das ist noch keine Geburt..“ Ich dachte: “ SHIT…das kann doch nicht wahr sein, ich war fest davon überzeugt, dass es schon „richtige“ Wehen waren und fand es kaum zum Aushalten und fragte sie wie lange dieser Zustand anhalten würde bis es „richtig losgehen“ würde. „Keine Ahnung kann sein, dass es morgen soweit ist, es kann aber auch noch ne Woche dauern.“ Damit war ich erstmal frustriert, die nächsten Tage wurde es immer heftiger, Kontraktionen teilweise alle 10 Minuten und das über Stunden teilweise nächtelang, ich konnte kaum schlafen, geschweige denn Sitzen, auch durch Baden wurde es meistens nicht besser. Dienstags hatte ich einen Entspannungstermin im Geburtshaus bei Monika und konnte mir alles von der Seele reden. Sie beruhigte mich, dass alles in Ordnung ist und ich so starke Schmerzen habe, weil die Wehen noch nicht effektiv genug sind, um die körpereigenen Schmerzmittel zu aktivieren. Das klang plausibel und gab mir wieder neuen Mut. In der Nacht gingen die Wehen wieder los. Morgens telefonierte ich mit Jessi, sie erklärte mir, dass ich die Wehen nicht wegatmen, sondern wirklich zulassen solle, da mein Körper die „Spitzen“ brauche. Als sie Mittags kam und mich untersuchte war der Muttermund schon 2-3cm geöffnet. Es ging weiter und wurde immer steter und ich ließ es zu und versuchte jede Kontraktion als einen Schritt näher zur Geburt zu sehen, so wie wir es im Vorbereitungskurs gelernt hatten. Irgendwie war ich davon sehr erleichtert, dass es jetzt wirklich los ging nach dieser gefühlt so langen Zeit der Latenzphase. Abends kam Jessi gegen 22 Uhr und es ging jetzt schon echt ab also kontraktionsmäßig, sie untersuchte mich nochmal und siehe da: 5-6cm war der Muttermund schon geöffnet. Sie fragte uns was wir tun wollen, ins GH fahren oder noch warten. Ich hatte Bedenken wenn wir noch weiter warten würden, dass ich die Fahrt von ca. 20 Minuten nicht mehr schaffen würde oder die Autofahrt alles stoppen würde und die Geburt nicht weiter gehen würde. Jessi meinte sie fährt jetzt mal ins GH um alles vorzubereiten und wir kommen in Ruhe nach. Das Treppenhaus schaffte ich ohne eine einzige Kontraktion, in der Tiefgarage ging es dann direkt weiter. Mir fiel es schwer im Auto zu sitzen und als es losging, spürte ich jeden Gullideckel und jedes Schalten. Eine Kontraktion kam nach der anderen und ich dachte, wir schaffen es nicht ins GH. Dort angekommen waren die Räume schön angeheizt, es roch gut und Kerzen brannten bei gedämpftem Licht, eine gemütliche Atmosphäre. Ich merkte schnell dass meine Bedenken, die Autofahrt könnte irgendetwas stoppen, total unbegründet waren, im Gegenteil es war eher wie ein Beschleuniger. Die Wehen wurden noch heftiger und ich bekam plötzlich den Drang zu pressen. Wie ein Reflex ich konnte nichts dagegen tun, das fand ich total krass. Als Jessi auf dem Bett die Herztöne messen wollte, merkte ich in einer Kontraktion, dass ein Schwall Flüssigkeit mir unten rauslief und wusste sofort, dass jetzt die Fruchtblase geplatzt war. Die Kontraktionen und die Art, wie ich darauf reagierte wurden heftiger. Ich probierte verschiedene Positionen aus. Auf dem Schoss, in der Hocke, im Vierfüßlerstand vor dem Bett und stehend ins Tuch abgestützt. Ich hatte das Bedürfnis ständig die Position zu wechseln und fand es unerträglich zu liegen, auch auf der Seite fühlte sich unangenehm an. Jessi kontrollierte regelmäßig die Herztöne und motivierte mich und ermutigte mich die Wehen zu „verarbeiten“ und dem Pressdrang noch nicht nachzugeben. Ich hatte das Gefühl nicht mehr wirklich Kontrolle über mich zu haben. Als ob das Kind und mein Körper die Geburt durchziehen. Ich war total verschwitzt und wollte mich so gerne kurz ausruhen um Kraft zu schöpfen. Jessi rief Monika an und bat sie zu kommen. Das war für mich ein Zeichen, dass es dann wohl bald soweit sein würde. Ich wollte beschleunigen und wünschte mir, dass das Baby endlich auf die Welt kommt und ging auf Toilette. Dort hatte ich das Gefühl, dass das Sitzen auf der Klobrille entspannend und zugleich beschleunigend war. Mit einer Kontraktion hatte ich das Gefühl das Köpfchen schon fast draußen zu spüren. Und es war auch so, ich ging wieder zurück und kniete mich vor das Bett. Ich vergaß alles um mich rum und mir wurde bewusst, dass gleich der Moment gekommen ist, auf den wir solange gewartet haben und der alles von grundauf verändern würde. Die anderen riefen mir zu, dass das Köpfchen schon zu sehen ist, ich war aufgeregt und konnte es nicht abwarten bis zur nächsten Wehe um zu pressen. Lila wurde geboren, da lag sie plötzlich vor mir und schrie wie am Spieß. Wir machten es uns zu dritt im Bett gemütlich, ruhten uns erstmal etwas aus und die Hebammen halfen mir sie anzulegen. Nach einer Weile wurde mir schlecht die Plazenta kam. Vier Stunden nach ihrer Geburt verabschiedeten wir uns von den beiden Hebammen und verließen als kleine Familie das Geburtshaus und fuhren mit dem Sonnenaufgang in den neuen Tag hinein. Mein Mann und ich haben uns schon sehr früh für eine außerklinische, natürliche und sanfte Geburt entschieden und uns ausschließlich von den Hebammen im Geburtshaus betreuen lassen. Diese Betreuung haben wir immer als „Urlaub“ bezeichnet und es sehr genossen uns in Ruhe zu unterhalten und die eigenen Empfindungen, Gedanken, aber auch Freude und Schmerz teilen zu können. So konnten wir alle Hebammen kennen lernen und sie uns sowie unsere Vorstellungen und Wünsche. Wir danken den Hebammen im Geburtshaus von Herzen für die liebevolle Begleitung auf dem Weg zu dieser wundervollen Geburt und ich wünsche jeder Frau ein sanftes, intensives und vor allem selbstbestimmtes Geburtserlebnis und das Vertrauen dem eigenen Körper und der Intuition folgen zu können. Zu jedem Zeitpunkt fühlte ich mich sicher und umsorgt von meinem Mann sowie von den Hebammen.
Eine Geburt ist ein Wunder und wir haben ein Recht darauf dieses Wunder erleben zu dürfen.

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