Am Tag vor dem errechneten Entbindungstermin war ich vormittags mit einer Freundin zum Schwimmen im Bad Berg. Weil ich immer noch fit war, bin ich hin und zurück gelaufen, trotz 36 Grad Augusthitze.
Nach dem Mittagessen habe ich ein bisschen geschlafen und bin mit einem Ziehen im Bauch aufgewacht. Ähnlich wie starke Periodenschmerzen. Als ich zur Toilette bin hat sich der Schleimpfropf gelöst. Weil ich schon seit ein paar Tagen immer wieder ziemlich starke Vorwehen hatte, wollte ich nicht zu früh Alarm schlagen. Mein Mann ist dann noch zwei Stunden Rad fahren gegangen und ich habe sogar noch das Bad geputzt, bevor ich ein Heublumendampfsitzbad und eine Dammmassage gemacht habe. Das hatte ich mir so vorgenommen. Schon ein paar Wochen früher, um die 37. SSW, habe ich Kraftsuppe getrunken, mit einer Wurzelmischung nach Traditioneller Chinesischer Medizin, die angeblich die Eröffnungsphase verkürzen soll. Damit, und durch regelmäßiges Yoga bis zum Geburtstermin, fühlte ich mich körperlich gut auf die Geburt vorbereitet. Mental haben dabei die vielen Vorbereitungsgespräche mit den Hebammen aus dem Rufteam und unser gemeinsamer Geburtsvorbereitungskurs geholfen.
Als mein Mann zurück kam, wollten wir eigentlich spazieren gehen, sind dann aber nur noch ein paar Lebensmittel einkaufen gegangen. Da waren die Wehen inzwischen so stark und regelmäßig, dass ich sicher war: die Geburt hat begonnen. Trotzdem wollten wir noch ein bisschen abwarten und sind zu Hause in den Garten.
Ich wollte dann langsam (es war schon gegen 21 Uhr) die Rufbereitschaftsnummer wählen aber mein Mann meinte, wir sollten noch den Test mit der Badewanne machen. Im Geburtsvorbereitungskurs hatten wir gelernt, dass Vorwehen in der Wanne wieder weggehen während richtige Wehen stärker werden. Als ich im Wasser lag, spürte ich plötzlich keine Wehen mehr. Nach einer Viertelstunde kamen sie aber heftig wieder.
Deshalb haben wir gegen 22 Uhr doch endlich die Bereitschftsnummer gewählt und Adaja kam gegen 23 Uhr. Ich musste die Wehen mittlerweile aktiv veratmen, kniete vor dem Sofa auf dem Boden und traute mich jetzt auch zu tönen (das hatte ich mir vorher nicht so richtig vorstellen können). Mein Mann massierte mir zwischendurch das Kreuzbein. Er hatte schon Brote geschmiert und unsere Sachen fürs Geburtshaus zusammen gepackt.
Adaja meinte: „Also Ihr seid definitiv unter Geburt, der Muttermund ist bei ca. 3 cm, das wird noch ein bisschen dauern.“ Wir sollten zu Hause bleiben, so lange wir uns gut fühlten und dann ins Geburtshaus kommen.
Das klang, als hätten wir noch eine Menge Zeit zu überbrücken, aber die Wehen wurden schnell heftiger und kamen in kürzeren Abständen. Bald konnte ich nur noch vornüber gebeugt stehen oder knien und musste bei jeder Wehe laut tönen. Eine Autofahrt zu überstehen kam mir fast unmöglich vor. Deshalb wollte ich schnell los. Um kurz nach zwölf telefonierte ich mit Adaja und wir verabredeten uns im Geburtshaus.
Auf dem Weg zum Auto musste ich mehrmals stehen bleiben und die Wehen veratmen, sitzen war ziemlich unangenehm. Durch eine für Stuttgart gänzlich untypische Grünphase schafften wir es zum Glück in weniger als zehn Minuten zum Geburtshaus.
Dort waren Kerzen angezündet und die Stimmung sehr entspannt und positiv. Mein Mann packte mit Adaja unsere Sachen aus und bezog das Bett – ich konnte nur noch auf den Wickeltisch gestützt die Wehen ertragen – inzwischen waren die Schmerzen ziemlich heftig. Deshalb wollte ich in die Badewanne – in der Hoffnung es dort noch etwas besser aushalten zu können. Zumindest zwischen den Wehen konnte ich mich in der Wanne besser erholen, immer wieder bin ich sogar kurz eingenickt. Aber dann wurden die Wehen immer heftiger, ich kniete in der Wanne und krallte mich in das Tuch darüber. Pausen gab es kaum und ich habe sie schmerzlich vermisst.
Kurz bereute ich, dass wir uns für das Geburtshaus entschieden hatten. „Keine Medikamente, keine PDA, selber schuld“, dachte ich bei mir. Aber dann hatte ich das Gefühl mitpressen zu müssen und erinnerte mich, dass ich in mehreren Geburtsberichten gelesen hatte, dass man selbst nach dem Köpfchen fühlen kann. Schon nach wenigen Zentimetern konnte ich etwas Weiches, Schwabbeliges fühlen – die Fruchtblase. Da war ich mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde und spürte noch einmal Kraft und Energie.
Adaja hatte zwischendurch immer wieder die Herztöne gemessen, es war immer alles in Ordnung. Aber jetzt konnte sie plötzlich nicht mehr die richtige Stelle finden. Hinterher sagte sie uns, dass das ganz normal ist, das Baby war inzwischen tief im Becken und ich auf Knien in der Badewanne. Trotzdem wollte ich, dass das Kind schnell kommt, um sicher zu gehen dass es ihm gut geht. Ich presste kräftig mit.
Um 3:36 Uhr kam unser Baby mit einer einzigen Wehe, noch in der Fruchtblase, heraus gesaust.
Die Hebammen sagten, ich solle es schnell hoch auf die Brust nehmen. Unser Kind war glitschig und rot und brüllte aus vollem Hals.
Den Umzug aus der Wanne auf das Bett schafften wir ganz gut, schwieriger fand ich die Geburt der Plazenta. Das dauerte noch einmal fast eine Stunde und ich fand es noch einmal ziemlich schmerzhaft. Auch weil unser Baby noch mit der (kurzen) Nabelschnur damit verbunden war. So lange lagen wir auf dem Bett und versuchten uns daran zu gewöhnen, dass wir jetzt zu dritt sind. Nachdem die Plazenta geboren war, nabelte mein Mann mit Hilfe der Hebammen ab. Danach konnten wir unser Kind endlich richtig anschauen. Wir hatten es ja schon vermutet, waren aber nicht ganz sicher gewesen – unser Baby ist ein Mädchen. Nach ein paar Versuchen schaffte sie es an der Brust zu trinken.
Im Morgengrauen machten wir uns auf den Heimweg. Im Auto fiel uns ein, dass die Nacht als Sternschnuppennacht angekündigt worden war. Wir haben keine einzige gesehen. Aber während draußen die Sternschnuppen purzelten, wurde im Geburtshaus unser Sternschnuppenkind geboren.
Die Entscheidung hierher zu kommen und nicht in einer Klinik zu gebären haben wir nicht bereut. Wir wurden sehr gut betreut und fühlten uns so sicher, dass wir quasi autonom gebären konnten. Trotz der Schmerzen und dem Gefühl an meine Grenzen zu kommen, würde ich heute sagen, dass es eine sehr gute Geburt war.
Dieser Texte unterliegt dem Urherberrecht. Eine Vervielfältigung oder Verbreitung – auch auszugsweise – bedarf der vorherigen Zustimmung des Urhebers.