Wir hatten uns eine Geburt im Geburtshaus vorgestellt, weil mir eine Hausgeburt recht mutig vorkam. Ich hatte vor allem Sorge, dass ich mich bei einer Hausgeburt in einer Mietwohnung wegen der Lautstärke gehemmt fühlen würde und dass eine Hausgeburt nicht so sauber sei. Aber es war anders: Wir blieben für die Geburt zu Hause, das Tönen ist weniger laut als gedacht, und die Wohnung ist sauber geblieben. Ich bin jedenfalls unsagbar froh, dass wir sehr kurzfristig zu Hause bleiben konnten, um eine so beeindruckende Geburt zu erleben. Und ich möchte hier darüber schreiben, weil ich Wochen später immer noch sehr fasziniert von diesem Erlebnis bin – ebenso mein Mann. Ich hatte vorher nicht geglaubt, wie intensiv eine Geburt ist und wie wunderbar sie sein kann!
Alles begann an einem Samstag Morgen mit einem leichten Ziehen alle paar Minuten über 2-3 Stunden lang. Wir sagten unser Treffen mit meinen Eltern ab und aßen erst mal sehr gemütlich unser großes Samstagsfrühstück auf dem Balkon. Gegen Mittag rief ich meine Hebamme Regine an, berichtete ihr kurz, doch sie meinte, es könnte noch dauern: bis morgen vielleicht oder gar anderthalb Wochen. Ich war der Meinung, dass es soweit sei, obwohl ich mittags dann gar nichts mehr spürte. Also wollten mein Mann und ich uns etwas entspannen, Mittagsschlaf machen, danach in den Park gehen, …
Gegen 17 Uhr setzte die erste Wehe ein, alle 4-5 Minuten folgten weitere. Ich musste erst mal einen gewissen Umgang damit finden, rumlaufen, mich im Türrahmen abstützen. Mein Mann massierte mich dabei; die Wehen ließen sich meist gut beatmen. Wir riefen wiederum Regine an, und sie empfahl mich im Bett auszuruhen. Sie würde nach dem Abendessen sofort kommen, da es sich schon nach richtigen Geburtswehen anhören würde. Ich nahm noch ein Heublumensitzbad und trank ein zweites (alkoholfreies) Bier. Als sie gegen 20 Uhr kam, hatte ich schon viele Wehen seitwärts liegend im Bett bearbeitet – mit Massage, Füße festhalten etc. durch meinen Mann. Der Muttermund war bereits 4 cm geöffnet.
Regine schlug nun vor, ins Geburtshaus überzusiedeln. Ich meine, sie schob ein „falls ihr wollt“ ein (und meinte „falls ihr jetzt wollt“), jedenfalls fragte ich, ob es möglich sei, hier zu bleiben. Sie war überrascht, dachte etwas darüber nach und bejahte. Sie ließ uns aber nochmals Zeit uns zu entscheiden, damit wir wirklich überzeugt seien, dass es das Richtige für uns war. Mir behagte die Autofahrt zum Geburtshaus überhaupt nicht: Ortswechsel, Szenenwechsel, die Fahrt selbst und auch noch starker Gewitterregen. Die große Badewanne war das Einzige, was wir in unserer Wohnung nicht hatten, und ich bin gar kein großer Badetyp. Dagegen war die Atmosphäre hier so schön, so vertraut, im Hintergrund lief eine alte Lieblings-CD von mir, das Licht war angenehm, und von innen betrachtet war es schönstes Gebärwetter.
Mein Rhythmus war gerade so gut. Ich wollte hier bleiben… Mein Mann stimmte zu, und so begannen Regine und er diese kurzfristige Hausgeburt vorzubereiten: alte Laken, Handtücher, große Folien holen, die Koffer aus dem Auto wieder hochbringen. Regine holte ihren Hausgeburtskoffer ebenfalls hinauf in die Wohnung. Währenddessen hatte ich die Position gewechselt, hing jetzt auf dem Gymnastikball, wo ich immer meinen Mann brauchte, um meine Füße zu halten und mit der Handfläche auf mein Steißbein zu drücken. Er wechselte sich mit Regine ab. Dann weitere Wehen auf der Toilette, die Lautstärke stieg. Ich hing gerade an meinem Mann, als mein ganzer Körper durchgeschüttelt wurde, und ich hatte das Gefühl etwas großes Warmes wäre aus mir rausgefallen. Die Fruchtblase war geplatzt – praktischerweise direkt über der Toilette. Zurück im Schlafzimmer kniete ich vor dem Bett auf einer stabilen angenehm weichen Matte und lag mit dem Oberkörper auf dem Bett, tönte, stöhnte, versuchte mein Becken zu lockern. Inzwischen war der Muttermund komplett geöffnet. Die Wehen waren ziemlich anstrengend.
Regine hatte Vroni, meine Zweithebamme, schon vorher informiert und sie jetzt angerufen zu kommen. Wir waren sehr froh, dass sie die zweite Hebamme war, weil wir sie schon vom Geburtsvorbereitungskurs her kannten. Als sie kam, war die Übergangsphase schon vorbei, glaube ich. Vroni setzte sich mir schräg gegenüber ans Bett und zog an meinen Armen während der Wehen. Das half mir sehr zu drücken und zu pressen. Mein Mann hielt wiederum meine Füße, rieb über mein Steißbein. „Sch…, die nächste“, „uhh, schon wieder eine…“. Manche waren heftiger, einige wenige ohne Pause. In den Pausen allerdings konnte ich mich kurz erholen und klar reden und denken. Ich fragte mich jetzt wie lange es noch dauern würde. Wenn es heute noch kommen soll, hätte ich noch 50 min, meinte Vroni. Mir war egal, ob es ein Samstags- oder ein Sonntagskind würde, es sollte bloß nicht mehr zu lange dauern. Tönen, hecheln, stöhnen. Mein Mann kniete hinter mir, und Regine legte mir einen warmen Lappen auf den Damm, damit er elastischer würde. Vroni schlug vor, dass ich nach dem Köpfchen fühlen könnte. Ich spürte etwas hartes, schleimiges mit einer leichten Delle. Es bewegte sich vor und zurück, während ich presste. Immer wieder war wohl Fruchtwasser mit rausgekommen, aber jetzt kam der Kopf, weiter, immer weiter. „Trau dich!“, meinte Vroni. Es dürfe noch 10 bis 12 Wehen dauern, sagte sie, und ich presste soviel ich konnte. Einmal kam der Kopf schon gut zum Vorschein, rutschte dann wieder zurück, und das nächste Mal war er da, guckte einfach raus und, so meinte Regine später, es rümpfte schon mit der Nase. Mit der nächsten Wehe schob ich den Körper hinaus, unser Kind landete auf der Matte, und ich drehte mich um. Zwischen mir und meinem Mann lag es da, schaute ruhig und mit großen schwarzen Augen, war etwas schleimig und blutig. Ein riesiges Glücksgefühl stieg in mir hoch. Es ist da! So erschöpft und so glücklich gleichzeitig!
Wir guckten noch nach, ob es wirklich ein Junge ist. Dann legte Vroni ein Moltontuch um ihn, und sie hoben uns aufs Bett. Mein Mann legte sich neben uns. Unser Kind lag in meinem Arm, sah uns interessiert an. Die schwarze Haare glänzten, die Augen dunkel, Arme und Beine ganz dünn. Regine und Vroni zogen sich zurück und ließen uns Ruhe und Zeit zum ersten Kennenlernen. Wir staunten nur, bewunderten ihn, dieses kleine Wesen, voller Glück. Er lag nun auf meiner Brust, war schön warm und schaute mich an. Ich konnte nur lächeln. Ein tiefes, erlöstes Lächeln.
Später zeigte Vroni ihm die Brust, er saugte ein bisschen. Danach lag er auf der Brust meines Mannes. Noch ein kurzes Drücken meinerseits, und schon lag die Plazenta in einer Schüssel. Die beiden Hebammen untersuchten sie und zeigten sie uns: Auf einer Seite konnte man eine baumartige wunderschöne Struktur sehen, die andere Seite war wellig braun; die Eihäute waren fest und schleimig rotgelb. Wir wickelten sie nach etwas Abwaschen in ein Handtuch, dann in einen Stoffbeutel, weil wir die Nabelschnur und die Plazenta erst am nächsten Tag abschneiden wollten. Danach untersuchten Regine und Vroni mich. Mein Damm war unbeschädigt geblieben, auch ich gesund. Vroni half mir aufzustehen, um mich zur Toilette zu begleiten. Regine begann währenddessen unseren Sohn auf dem Wickeltisch zu untersuchen und erklärte meinem Mann alles. 54 cm, 2900 g, Kopfumfang 33,5/ 31,5 cm, fit, gesund, „alles dran“.
Kurz vor Mitternacht war unser Sohn geboren worden. Vroni und Regine gingen zwischen 2:15 Uhr und 2:45 Uhr. Und mein Mann und ich blieben einfach hier im Bett liegen, unser Kind zwischen uns in eine Wolldecke eingewickelt. Wir unterhielten uns noch lange über die Geburt, bis wir müde wurden: Ein so beeindruckendes Erlebnis!