1 Die Tage vor der Geburt
Der errechnete Geburtstermin war der 3. Oktober und so war natürlich schon drei Wochen davor alles vorbereitet: alle Dinge von der Hausgeburtsliste im Kabuff zusammengetragen, Notfallmedikamente im Kühlschrank, Telefonliste aufgehängt, Wickelplatz eingerichtet etc. etc. Aber uns beiden war mehr nach endlich mal ausruhen. Ich konnte mit dem dicken Bauch nicht mehr so richtig mit Tom* raus, da ich weder schnell noch stark genug war, um ihn einzufangen und zu tragen. So musste Philipp* nach der Arbeit noch oft Tom* ermüden, ich war sowieso müde und er dann auch vollends. Langsam wurde uns aber klar, dass die Entspannung erst dann kommen würde, wenn das Baby da ist und dass sie anders wird, als man sich Entspannung im Allgemeinen so vorstellt. So kam dann der Geburtstermin immer näher. Ich war mir zwischendrin mal sehr sicher gewesen, dass das Kind vor dem Termin kommen würde. Aber eine Woche nach Rufbereitschaftsbeginn war wieder alles ruhig. (…) Am 3. Oktober also, der Termin war nun da, hatte ich endlich auch das Gefühl, dass Philipp“ bereit“ ist. (…) Da ich nun auch bereit war, dachte ich, das Baby komme vielleicht heute noch. Abends hatte ich tatsächlich so etwas wie Regelbeschwerden, als ich mich neben Tom ins Bett legte. Ein kleiner Schock: huch, jetzt kommt’s vielleicht. Und dann verunsichernde Gedanken: Was machen wir, wenn Tom doch nicht schläft oder nicht zu beruhigen ist… Was, wenn wir in die Klinik müssen? Aber die habe ich versucht, so schnell und so weit wie möglich wegzuschieben. Es wird schon alles gut gehen!

2 Freitag – vom Familienalltag direkt ins Geschehen!
Freitag, am 4. Oktober, brachte ich Tom noch mit dem Fahrrad zur Tagesmutter und holte ihn um 3 auch wieder. Philipp war arbeiten. Ich hatte beschlossen, Quittensirup aus den letzten Bergquitten zu kochen und als Philipp kam, war ich gerade mittendrin. Außerdem kam noch Tom neues Doppelstockbett an und wollte zusammengebaut werden. So kochte ich in der Küche und Philipp und Tom packten die Möbelpakete aus und suchten die passenden Teile. Zwischen 19 und 20 Uhr hatte ich dann etwas stärkere Kontraktionen als am Abend zuvor und dachte: Oh, wohl wieder so Übungsdinger. Schließlich musste ja der Sirup noch fertig werden und das Bett auch! Ich stellte dann aber ziemlich schnell fest, dass ich mit dem Sirup flott machen und das Bett lieber noch warten sollte, damit Tom ins Bett käme. Als ich ihn dann wickeln wollte, hatte ich auf seiner Matratze die erste Wehe, die ich veratmen musste. Auf die Uhr geschaut: 4 min später die nächste. Und da war’s gerade mal halb 8. Jetzt also wirklich schnell das Bett weg und Tom in den Schlafanzug! Philipp versorgte Tom, ich kümmerte mich noch um den Sirup (den Geburtstagskuchen, für den ich schon alles vorbereitet hatte, schaffte ich leider nicht mehr zu backen und die Fertigbackmischung wartet immer noch darauf…) und wir beschlossen, wenn Tom im Bett ist, die Hebamme Lena Ehlebracht anzurufen. Eine Freundin, die für Tom in „Bereitschaft“ war, warnte ich auch schonmal per SMS vor. Als Tom dann eine Stunde später im Bett war und ich es mir in der Badewanne gemütlich gemacht hatte, riefen wir die Hebamme Lena an. Die wollte noch schnell was zu Abend essen und dann kommen. Kein Problem: bei mir war noch alles im grünen Bereich. Immer noch regelmäße Wehen – aber von der letzten Erfahrung ausgehend hatte ich mich eh auf länger eingerichtet. Etwas später rief ich auch meine Freundin an. Die war ganz verwundert, dass ich noch sprechen konnte. Als dann wieder eine halbe Stunde vergangen war, wurde es bei mir schon intensiver. Ich war wieder aus der Wanne raus und dachte inzwischen, dass die Hebamme jetzt wirklich langsam kommen könnte. Es fühlte sich gut im Gange an und die Wehen waren schon schwer. Zuerst kam dann kurze Zeit später unsere Freundin, dann ein paar Minuten später auch Hebamme Lena. Nun war ich wieder etwas beruhigter: alle, die nötig waren, waren da und ich konnte jetzt ganz in Ruhe wehen und warten. Die Wehen wurden nun immer intensiver. Zwischendurch hatte ich ein paar mal das Gefühl, ich bekomme während der Wehe gar keine Luft mehr. Nach kurzer Rücksprache mit Lena wusste ich: tief durch die Nase einatmen, durch den Mund aus. Funktionierte super. Die Wellen waren jetzt wirklich stärker als bei Toms Geburt und das überraschte mich doch. Irgendwann hatte ich das Gefühl, mitzuschieben. Das habe ich dann auch gesagt, Lena fand das super und rief kurz darauf Corinna, die 2. Hebamme an. Unglaublich, dachte ich: jetzt sind gerade mal 4 Stunden oder so seit der 1. Wehe um und die 2. Hebamme kommt schon? Aber toll: denn lange wollte ich diese Wehen auch nicht mehr aushalten und ewig würden meine Kräfte nicht reichen. Immerhin hatte ich ja auch schon einen ereignisreichen Tag hinter mir. Zwischen der Hebamme und mir funktionierte es einfach super: wenn ich was hatte, sagte ich es und sie machte mir Vorschläge, wie ich’s besser machen könnte oder sagte auch einfach mal, dass ich es gut mache und stützte meine wie Espenlaub zitternden Beine. Ab und zu ging sie auch einfach raus. Auch Philipp war natürlich die ganze Zeit um mich. Er war dabei aber so zurückhaltend, dass ich ihn kaum wahrnahm, perfekt also. Auch unsere Freundin schaute ab und zu rein und sah sehr entspannt aus: ein gutes Zeichen für mich.

3 Die heiße Phase
Zwischendurch kam auch Corinna. Irgendwann fragte ich dann, ob ich jetzt eigentlich mal wieder in die Wanne sollte. Wenn ich da gebären wollte, so die Antwort, dann ja. Also: wieder ab in die Wanne. Und dort hatte ich dann einen Müdigkeitsflash. Und bestimmt 10 min lang keine Wehe. Aber ich machte mir keine Sorgen wie bei der 1. Geburt. Ich war mir ganz sicher, dass es weitergehen würde und ich war ganz entspannt. Ich hatte auch während der Geburt so sehr das Gefühl, dass das Baby mithilft und raus will, dass ich mir gar keine Sorgen machte. Schließlich ging es wieder voll weiter. Und plötzlich: richtig gute Schiebewehen. Also schob ich. Immer mal auf der Suche nach der richtigen Position. Auch Lena half tatkräftig mit Druck auf das Steißbein. Und plötzlich fand ich mich laut tönend, schreiend?, schon das Köpfchen in die letzte Kurve begleitend. Es kam Stuhl mit und das wusste ich eben noch aus dem Geburtsvorbereitungskurs: da kommt der Kopf um die Ecke und die Hebamme freut sich jetzt über das Zeichen (so Maria!). Als Lena vorschlug, dass ich mal tasten solle, wo das Köpfchen jetzt ist, hatte ich auch ein überraschendes Erlebnis. Da war etwas, schon ganz weit unten: die intakte Fruchtblase. Für mich wieder die Bestätigung, dass diese Geburt komplett anders verlief als die vorige. In einer der nächsten Wehen platzte die Fruchtblase, was ich mit einem kurzen „Das war sie jetzt.“ kommentierte. Ich war nun im Vierfüßlerstand. Und plötzlich, ja so kam’s mir vor, um mich rum noch Gewusel, weil die Nachtabschaltung zu kaltem Wasser in der Wanne führte, plötzlich drückte das Köpfchen sich schon nach draußen. Und jetzt hatte ich es sozusagen in der Hand: den weichen Kopf und da, ein Ohr. An den Schmerz kann ich mich noch ganz gut erinnern: den Wehenschmerz nicht so, aber die Dehnung und das unglaubliche Gefühl, dass da jetzt einfach etwas RIESIGES durch etwas kleines durch muss.

Der Kopf war erst halb geboren und ich wartete auf die nächste Wehe für den Rest. Aber Baby war mächtig am Schaffen und bewegte für mich schmerzhaft Körper und Kopf. Ich glaube, in der nächsten Wehe kam dann nicht nur der „Restkopf“, sondern auch der halbe Körper mit. Lena half nun ein bisschen mit und bat mich, noch einmal zu drücken, damit der ganze Zwerg geboren werden konnte. Und da war er: 0.50 Uhr und ich konnte mein Baby zwischen den Beinen durchs Wasser zu mir nach vorne holen und ihn an die Luft, ins Leben heben. Und feststellen: „Noch ein Junge!“ Wie schön! Wir hatten uns ja nichts gewünscht. Dass es ein Baby wird wussten wir und wir waren gespannt, was für eins! Und schau an: eins mit schwarzen Haaren. Erstaunlich. Nicht nur, dass er nicht blond war, sondern dass da überhaupt Haare waren! Mit Stolz hatte ich auch bemerkt, dass Lena mich während der Geburt – bis auf das Abhören der Herztöne des Babys – gar nicht untersucht hatte. Für mich war das auch ein Zeichen dafür, dass sie meiner Einschätzung vertraute und dass sie es nicht mit ihren Händen überprüfen musste. Ich hatte das Baby also ganz alleine geboren: keine Anweisungen, wann zu pressen sei oder Bevormundungen a la „Ich seh hier aber was anderes.“ Echt toll!

4 Das Baby kommt an
Nach der Geburt und nachdem ich den Zwerg schnell zu mir an die Brust genommen hatte, wurde er warm zugedeckt und ich konnte mich erst einmal zurück lehnen und kurz durchatmen. Ein paar Minuten später war es auch nicht mehr so kuschelig in der Wanne (Nachtabschaltung sei dank…) und wir wollten ins Bett rüber wandern. Und wie ich in der Wanne so aufstehe und noch denke, dass ich das nie schaffe, da raus zu kommen (ich musste ja das Baby mit beiden Händen festhalten), plumpst plötzlich die Placenta in die Wanne. Kurzer Schockmoment bei allen: aber zum Glück war die Nabelschnur lang genug. Ich war so auf das Festhalten und Aufstehen fixiert gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass die Placenta schon nach unten drückt. Und Lena und Corinna waren davon ausgegangen, dass das Lösen eh noch ein bisschen dauert. So war das also auch erledigt. Den Mutterkuchen in die Schüssel gelegt und dann alle zusammen ins Familienbett. Nun hatten wir Zeit zum Kuscheln, erstem Trinken und Ausruhen. Die Lena und Corinna zogen sich für Papierkram in die Küche zurück. Danach folgte die U1 (mit Entdeckung der blitzförmigen Pofalte), anziehen und Untersuchung auf Geburtsverletzungen bei mir.
Da ich keine hatte, durften wir wieder weiterkuscheln. Langsam merkte ich dann aber, dass ich mich ziemlich unwohl fühlte, weil ich mich gar nicht traute zu bewegen aus Angst, das Bett zu verbluten. Also bat ich darum, dass mich einer in die Dusche begleitet. Den Hebammen zog ich viel zu stramm Richtung Bad los, ich sollte langsam machen. Obwohl ich gerade erst aus der Wanne gekommen war, tat das Duschen trotzdem unheimlich gut! Und dann wurde auch Tom wach: das waren zu viele fremde Stimmen mit zu viel Bewegung in der Wohnung. Und plötzlich war da auch noch ein Baby. Nach den ersten Schockminuten kam er langsam wieder zu sich. Ich verbrachte dann den Rest der Nacht bei Tom im Bett und Philipp schlief mit dem Baby. Gegen 3 Uhr gingen alle wieder nach Hause und unsere schnelle und unkomplizierte Hausgeburt war schon vorbei. Ein wirklich schönes Erlebnis!

Unsere Freundin schrieb danach: Es war, als ob die Welt den Atem anhält oder noch einmal tief Luft holt. Und dann passierte nichts Ruckartiges, nichts was Unruhe macht. Die Zeit war so sanft. Der Übergang in ein neues Leben, ein Fließen. Dieses Baby kam still flüsternd. Das Universum hat sich so verdichtet und ist um uns herum gewabert, wie Nebel. Für einen kurzen Moment war ich doch gespannt. Der Moment, in dem wir auf den ersten Schrei gewartet haben. Du hast ihn aus dem Wasser gehoben und damit in die Welt. So war es für mich. Hat mich sehr berührt.

Seinen Namen bekam Lukas erst 6 Tage später.

*alle Namen wurden aus Datenschutzgründen vom Geburtshaus geändert

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