Dienstag, 13.12.05, 0:38 Uhr

Hallo mein Schatz,

nun ist es anscheinend doch so weit, dass Du dich endlich auf den Weg machst. Allerdings mit etwas Nahhilfe von Rizinusöl, was mich erst mal auf´s Klo verbannt hat, anstatt noch etwas ausruhen zu können…

Ja nun sitze ich hier, dein Papa schläft noch, ich hab überall Kerzen angezündet, Duftöl ins Lämpchen und es läuft die Kassette von Emina…

Die Wehen kommen so alle 5 min sehr deutlich – allerdings ist der Bauch schon seit Freitag Abend fast durchgehend hart – ich hoffe, das hat dir nicht geschadet. Keine Ahnung, wann ich die Hebamme – und deine Oma – anrufen soll. Die Intuition wird schon noch kommen…

Unfassbar in wenigen Stunden werden wir dich – so Gott will – in den Händen halten – nach 40+2 Wochen…ich kann’s mir nicht wirklich vorstellen…dann bist Du da – unser Kind…

Ich bin sehr gespannt und freu mich auf dich – bin aber auch etwas unsicher – plötzlich Mutter zu sein – was das wohl bedeutet?

Montag, 19.12.05, 19:40 Uhr

…nun ist deine Oma gerade wieder gefahren. Heute ist erst dein 4. Lebenstag – Du hast uns noch ganz schön warten lassen. Nachdem ich letzten Montag den Rizinus-Cocktail getrunken hatte und dachte, Du machst dich auf den Weg, habe ich um 4:30 deine Oma angerufen. Um 6 wachte ich dann auf und die Wehen waren nahezu weg – sie aber schon unterwegs.

Dienstag habe ich dann Globuli genommen und einen Einlauf gemacht – aber das hat dich auch nicht interessiert. Nur war damit leider die Rufbereitschaft nach errechneten Termin abgelaufen – nach Konzeption wären noch 2 Tage gewesen…die Ärztin in der Filderklinik war auch total gelassen und schickte mich mit der Aussage ich solle eine Hausgeburt machen, wieder nach Hause. Chris meine Vorsorgehebamme erklärte sich letztendlich dazu bereit, noch mal 2 Nächte dran zu hängen. Was für ein emotionales hin- und her…Donnerstag, am Tag drauf – in der Nacht war ziemlich wenig los – sollte ich wieder in die Klinik zum Doppler machen lassen, ob auch alles in Ordnung sei. Gott sei Dank haben Sonja und Walid uns ihr Auto für die Tage geliehen. Dort beim 30min CTG fiel mir auf, dass ich in der Zeit vier Wehen hatte – also Abstände von weniger als 10 min – und das tagsüber! Dabei habe ich die Wintersonne auf meinen Bauch – deine Welt scheinen lassen. Nachdem der Oberarzt bestätigt hat, dass für heute noch alles in Ordnung ist, und uns allerdings für Freitag morgen mit der „Drohung“ einer Einleitung wiederbestellt hat, fuhren wir zurück. Und im Auto sah ich, dass die Wehen schon alle 5 min kamen. Zuhause war dann auch gleich der Termin mit Chris, die sich riesig über die Nachrichten freute.

Entweder die Drohung hat gewirkt oder die Sonne hat dich gelockt – um ca. 17 Uhr wurden die Wehen so intensiv, dass ich Chris wieder anrief und bat zu kommen. Als sie kam habe ich schon so lange auf allen Vieren getönt, dass sie gleich all ihre Sachen reinholte. Bis um 21 Uhr war der Muttermund gute 7 cm offen – was für mich erst mal deprimierend war, da er vorher ja schon 2 cm auf war – also 5 cm in 4 Stunden… Die nächste Zeit auf dem Sofa war ätzend – atmen, tönen, tierische Schmerzen einfach zulassen, wirken lassen… von Allah – durch Allah – zu Allah… dann ging’s einigermaßen, entspannen – und von vorne. Mit der Zeit dachte ich mir zerreist’s mein Kreuzbein und ich konnte die Wehen nicht mehr richtig annehmen und wurde eher von Krämpfen geschüttelt. Daraufhin wollte ich noch mal in die Badewanne, was meinem Rücken nachmittags sehr gut getan hatte. Kaum saß ich drin platzte die Fruchtblase und ich fragte, ob ich jetzt pressen darf. Was für eine Erleichterung – ich durfte was tun!

23:30 Uhr

Mit steigendem Pressdrang und langen Entspannungsphasen hast Du dich dann langsam auf den Weg gemacht. Chris hat mich immer wieder aufgefordert hin zu fühlen – ich konnte aber nicht wirklich etwas identifizieren, bis Du dann vorm Damm standest – außerdem konnte ich mich dann nicht aufs Pressen konzentrieren. Und da warst Du nun wenige Millimeter vorm Ziel und nur der Damm im Weg. Bei jeder Wehe habe ich deinen Kopf mit den schwarzen Haaren gesehen, wie er ein bisschen weiter raus kam….und nach der Wehe gespürt, wie Du wieder zurück gerutscht bist – echt deprimierend…dann wieder pressen, spüren wie’s zieht und brennt – Du oder ich – und irgendwann war’s mir dann egal – um 0:58 – raus mit dir – egal was passiert. Kaies sagte ich war von Kopf bis Bauch dunkelrot – seine Finger noch dunkler bzw. blau und ich hab einfach aus Leibeskräften gepresst und geschrieen, kurz Luft geholt und weiter… bis es plötzlich „Flopp“ gemacht hat und dein Kopf draußen war – und ich völlig am Ende – und Chris sagte: los noch mal – ich: ich kann nicht – sie: doch! Also eine letztes Mal – und es brannte noch mal kurz, flutschte und Du lagst in meinen Armen und hast gequäkt, ganz grau und schmierig – mein Kind – alle Schmerzen vergessen. Dann hast Du nach Luft gejappst und Chris hat dir die Atemwege von Fruchtwasser befreit woraufhin Du langsam rosig wurdest. Danach wurden wir mit vereinten Kräften aufs abgedeckte Sofa verfrachtet wo dir Vroni – die 2. Hebamme Sauerstoff vors Gesicht blies, um kein Risiko einzugehen…und dann lagen wir da…. Kaies wurschtelte mit Blutflecken und Badewanne rum (musste sich wohl das Vater geworden sein etwas abreagieren) – und dann kam mir, ich weiß immer noch nicht was Du bist und kuckte nach – ein Junge: Ahmed Rahim also (Hatten wir uns ganz umsonst am Abend zuvor noch auf einen Mädchennamen geeinigt). Kaies wurde dann auch mal zu uns beordert, um seinen Sohn zu bewundern – sowie vor lauter Handtüchern um uns zwei überhaupt etwas von dir zu sehen war.

Irgendwann fragte Chris dann, ob wir mal die Plazenta holen sollten – ich musste nur mal kurz drücken und da war sie auch schon und auch in Ordnung. Gott sei Dank!

Kaies wurde dazu aufgefordert die Nabelschnur durchzuschneiden – dabei hast Du ganz schön protestiert! Dann sollte der Papa dich auf die nackte Brust nehmen, damit ich versorgt werden konnte. Dort hast Du zur Belustigung aller lauthals zum saugen und schmatzen angefangen. Dammriss und Labienschürfung wurden desinfiziert, betäubt und genäht. Danach wurdest Du gewogen, gemessen und untersucht. Danach hab ich noch kurz unter Aufsicht geduscht und dann lagen wir zu Dritt vereint im Bett, Du nur ins Handtuch gewickelt auf meinem Bauch. So um 4 verabschiedeten sich Chris und Vroni und wir schliefen erschöpft und glücklich bis mittags um 11.

Nadine

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