… heute ist der 09.03.2010 … um 17:00 Uhr treffen wir uns mit Chris im Geburtshaus zum Nachgespräch. Wir gehen runter ins Geburtszimmer, „ja, wie schön es hier war“ sind die Worte, die mir aus dem Herzen kommen – dieser Ort an dem wir Maeve liebevoll ‚willkommen’ heißen durften. Ungefähr 6-einhalb Wochen ist es her und wieder gehe ich gedanklich nochmals zu diesem wunderbaren Tag zurück.

Es ist der 22.01.2010, der errechnete Geburtstermin. Seit ca. 2 Tagen begleitet mich ein latentes Ziehen im Unterleib. Heute Morgen ist es mal mehr, mal weniger stark. Innerlich setzt sich die Gewissheit fest, heute wird das kleine Erdenkind zu uns kommen.

Der Große (Marc, 12 Jahre) ist in der Schule und wir haben Zeit für uns, gehen den Tag ruhig an. Einige kleinere Erledigungen und die üblichen Küchenfee-Arbeiten sind erledigt. Es ist Nachmittag, Marc ist von der Schule zurück. Fix noch den Kuchen aus dem Ofen geholt, den Kaffee aufgegossen und dann kann das Wochenende mit einer ausgiebigen Monopoly-Runde eingeläutet werden. Wie frustriert ist Marc doch als ich ihm sage, dass dies nun doch nicht so geht wie gedacht – ist doch bei mir ganz plötzlich die Hose nass – ok, jetzt geht’s los. Nachdem auch gleich der Schleimpfropfen abging blieb ich vorerst auf dem Klodeckel sitzen um aus unserem Badezimmer kein Schwimmbad zu machen. Martin brachte mir das Telefon (oje, leichte Aufregung stand ihm ins Gesicht geschrieben) und ich rief Chris an. Beschrieb ihr kurz die aktuelle Lage. Sie sei auf dem Weg nach Hause und schaue in ca. 30 Minuten bei uns rein. Ob ich denn schon Wehen hätte? Ein eindeutiges ‚Nein’ meinerseits.

Jedoch – kaum ist das kurze Gespräch beendet, treten sie ein und das nicht zu milde. Ich schätze, im Abstand von drei Minuten. Zunehmend dringt es auch bei Marc ein, das sich das Baby nun zu uns auf den Weg macht. Martin macht das Bett schnell wasserdicht und ich spurte vom Bad ins Schlafzimmer, wo sich unser Bett in kürzester Zeit in ein (Frucht-) Wasserbett verwandelt. Der Opa wird angerufen und macht sich umgehend auf den Weg. Ich rufe dann noch meine Herzensfreundin Annette an. Auch sie macht sich auf den Weg, direkt ins Geburtshaus. Wenig später ist Chris auch schon da. Sie tastest den Bauch ab und horcht mal hinein, schaut uns an und sagte: „Ihr habt zwei Möglichkeiten – entweder ihr macht Euch, jetzt gleich auf den Weg ins Geburtshaus oder, ihr bleibt zu Haus“. Gut dann also los. Ich war völlig ruhig in mir, Martin wuselte dagegen leicht rum.

Der Opa war in der Zwischenzeit auch schon eingetroffen und viel langsamer als gedacht konnte ich mich abfahrbereit machen. Musste ich doch immer wieder innehalten und die nun etwas stürmisch anrollenden Wehen veratmen. Martins Hand hatte stellenweise unter meinem Schraubstockzwingen-Griff ganz heftig zu leiden. Und einmal mussten wir alle so herzhaft lachen das mir in der Wehe fast die Luft wegblieb. Die drei „Jungs“ beluden das Auto, Chris telefoniert mit Manuela (die Ersthebamme) und verabschiedete sich bis später. Marc gab mir noch seinen großen Plüschhund mit wo ich mich festhalten könnte, da Martin während der Fahrt die Hände ja besser am Lenkrad behält. Gleich im Treppenhaus musste ich jedoch eine kleinere Pause einlegen um auf dem Treppenabsatz die Wehen im Vierfüsslerstand gut zu veratmen. Das klappte wunderbar. Nach inniger Zwiesprache mit meinem Baby, uns doch auf der Fahrt etwas Ruhe zu lassen, verlief der Weg in die Stadtmitte, trotz Freitagabendverkehr völlig ohne Stau oder zu vielen roten Ampeln.

Kurz vor 18 Uhr trafen wir dann im Geburtshaus ein. Annette und Manuela strahlten uns entgegen – ja, hier fühle ich mich herrlich aufgehoben! Ich kam gerade bis in die Mitte des Raumes und sank auf den Boden, in die von mir bevorzugte Vierfüssler-Position. Meine Jacke, langen Rock und Schuhe hatte ich erst einmal noch an. Manuela brachte mir etwas zu trinken und lauschte nach den Herztönen des Babys. Ich sog die warme Atmosphäre des Raumes in mich auf – leicht gedämmtes Licht, Kerzenschein und ein angenehmer Duft lag in der Luft. Ich freute mich so sehr darauf, hier mein Kind zur Welt zu bringen. Annette war an meiner Seite und Martin räumte emsig das Auto aus. Er ist gut dreimal hin- und hergelaufen, hat das Auto umgeparkt und ich hockte noch immer auf dem Boden und atmete heftig. Ungefähr nach 20 Minuten half mir Annette und Manuela aus den nun absolut unbequem werdenden Klamotten. Martin hatte währenddessen unsere neun Kerzen im Raum verteilt und angezündet, den Beifusstee (nach altem Wissen, das Geburtskräutlein!) aufgesetzt und das Räucherwerk bereitgelegt. Ich konnte es kaum erwarten den Tee zu trinken. Überhaupt habe ich während der Geburtszeit getrunken, als wenn ich mich stetig kurz vor dem Verdursten befand. Ein weiteres Kräutlein unterstützte mich sanft den Schmerz auszuhalten. Und als Martin dann den Beifuss räuchern ließ und Annette und Manuela zeitgleich mit Tönen begannen, fühlte ich mich ganz mit meinem ureigenen Geburtsrhythmus verbunden. Es schwebte eine unglaubliche Ruhe, Geborgenheit und Vertrauen im Raum. Manuela war in sicherer Entfernung bei uns, hörte regelmäßig die Herztöne des Babys ab und ließ uns ansonsten ganz bei uns sein. Ihre Ausstrahlung brachte soviel Achtsamkeit und Entspannung mit, das zu keiner Zeit in mir irgendetwas Furchtsames spürbar wurde. Ich fühlte mich ganz sicher. Von Zeit zu Zeit schlug sie einen Positionswechsel vor, doch immer wieder kam ich in den Vierfüsslerstand zurück, in der sich annährenden Endphase, vor- und zurückwiegend (merkwürdig, hatte ich doch von dieser Bewegung nie zuvor gehört oder gelesen und doch sagte Manuela, das dies wohl eine ganz natürliche, instinktive rhythmische Bewegung während der Geburt sei). Mit jeder Wehe ging Fruchtwasser ab – mein Gott, da kann doch bald keines mehr drinnen sein. Irgendwann stellte ich mir die Wehen als Wellen vor und es ergab sich ein guter Atemrhythmus in mir. Es tat außerdem unendlich gut, Annettes und auch Manuelas Atem hin- und wieder zur Orientierung hören zu dürfen.

In meiner Vorstellung der Geburt konnte ich mir den Geburtshocker wunderbar vorstellen. Während des tatsächlichen Geschehens empfand ich das Sitzen auf diesen jedoch nicht wirklich angenehm. Irgendwann ertastete Manuela den Muttermund; wow schon 8 cm – wir sind doch noch gar nicht so lange hier, denke ich. Nicht lange danach tobt der Schmerz der Wehen nun ganz schön stark in mir (doch waren sie, erstaunlicherweise, noch immer aushaltbar). Diese fühlen sich allerdings gänzlich anders an als die bisherigen. Das sind dann wohl die Presswehen (welche ich bei der ersten Geburt nicht erfahren durfte).

Manuela hatte Chris angerufen sich auf den Weg zu uns zu machen. Aha, dachte ich, jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Manuela schlug vor, dass ich selbst doch mal nach dem Köpfchen tasten könnte. Doch zum einen wollte ich, die mich haltenden Hände nicht loslassen und zum anderen war mir der Gedanke daran, in diesem Moment, ein klein wenig fremd. Langsam merkte ich auch wie meine körperliche Kraft, trotz Unmengen an Tee und Traubenzucker, zunehmend nachließ. In Gegensatz dazu erlebte ich mich geistig und emotional unsagbar wach und stark. Annette und Martin nahe bei mir, Hände/ Arme die mich hielten, stützten und streichelten, mir immer wieder Kraft gaben, Worte die mich in dieser/unseren ganz eigenen Geburtsarbeiten immens unterstützten. Welch harte Arbeit auch das Baby schon vollbracht hat – das letzte Stückchen gemeinsamen Weges lag vor uns.

Dann hörte ich den Schlüssel sich im Schloss drehen, Chris war da. Beide Hebammen schlugen vor, dass ich mich in der Seitenlage aufs Bett legte. Hm, eine vielleicht etwas ungewöhnliche Gebärposition war mein Gedanke? Da ich doch schon etwas erschöpft war, kam ich nur recht langsam in diese Position, meine Beine wollten nicht mehr so wie ich. Auch brannten meine Stimmbänder ein wenig, obwohl ich vorwiegend dämmend ins Kissen gestöhnt habe. Also: bitte dringend noch mehr Tee, mein Hals kratzt und ich bin innerlich am verglühen, so bin ich ins Schwitzen gekommen. Dann waren es nur noch 2-3 richtig starke Presswehen, der Kopf war schon draußen und dann war unser Kind ganz geboren – schon lag es auf meinem Bauch – ein wunderbarer Ton kam mir entgegen, die Stimme meines Babys. Wir blickte ihm zum ersten Mal in die Augen – was für ein Zauber, Magie pur! Nicht wirklich fähig Worte zu finden, strahlten wir drei alle um die Wette. Ich bekam überhaupt nicht mit, das Chris schon das erste Abhorchen gemacht hatte und auch sonst unser Kindlein mit Kennerblick „besichtigte“. Dann hatten wir unendlich viel (gefühlte) Zeit für uns. Ausgiebig bestaunten wir das kleine Wesen in meinen Armen. Wie sich das Gesichtchen in der ersten halben Stunde veränderte, die wachen Augen, die zarte Stimme…

Chris und Manuela hatten sich zurückgezogen, schauten jedoch regelmäßig an unserer Bettinsel vorbei. Nachdem Martin den Omas und Opas die frohe Kunde mitteilte, ging er, zur allgemeinen Stärkung, mit dem Rotkäppchen-Verpflegungskorb rum. Danach kamen Manuela und Chris zu uns herüber, die Abnablung stand bevor – aus eins mach zwei, ein sehr besonderer Moment! Martin durchschnitt die Nabelschnur – und siehe da, nun – nach der Abnablung und bei stärkerem Licht betrachtet, haben wir auch erst richtig schauen können, ob wir eine Tochter haben. Durch diverse wärmende Handtücher und der Nabelschnur zwischen den Beinen wollten wir die erste Zeit der Kuschelmomente nicht mit der Geschlechtsidentifizierung des kleinen Erdenkindleins, stören. Nun wussten wir es sicher: ein Mädchen – mit leuchtendem Herzen ein liebendes Willkommen hier bei uns, auf diesem Planeten, kleine Maeve Eire!

Manuela schaute dann nach der Plazenta und plötzlich war ich nicht mehr Herrin meines Körpers. Als wenn alle körperliche Anspannung von mir abfiel, fingen meine Beine wie wild an zu zittern. Doch mit viel Achtsamkeit der beiden Hebamen und ganz ruhig konnte ich ca. 15 Minuten später, mit Hilfe von Akupunktur und einer leeren Sprudelflasche (in welche ich dreimal kräftig reinpustete), auch die Plazenta nach draußen bringen. Manuela zeigte sie und erklärte uns ganz genau welche Seite wem zugewandt war.- Wie ähnlich sie in der Kindseite, dem Weltenbaum ist.

Wir unterhielten uns ein wenig und dann schauten beide Hebammen nach Geburtsverletzungen bei mir. Nachdem ich behutsam versorgt wurde, wusch mich Annette (die angebotene Dusche lockte mich gerade wenig) und half mir beim Anziehen, während Martin mit Chris bei Maeve die U1 machten. Auch bekam Martin einen ganzen Packen Tipps und Tricks für das An- und Ausziehen vom Zwerglein, wie auch zum Tragen, Halten, Waschen und zum Verbrauch der Baby-eigenen-Fettcreme, der Käseschmiere, mit (herrje, 12 Jahre ist es her wo ich meinen jetzigen Großen, so klein in den Händen hielt. Da sind wir über so manchen Tipp fröhlich). Aus der Ferne schaute ich immer mal wieder zum Wickeltisch, sah mich im Raum um, hielt inne und fühlte mich noch immer wie berauscht. Leise ging das Kerzenlicht aus und die Dimmer wurden etwas höher gedreht. Manuela informierte uns noch zur Atmung von Maeve, zu Dingen auf die ich bei mir achten sollte und erinnerte mich nochmals eindringlich an meine nun kommenden 5 Tage mit strikter Bettruhe. Zwischenzeitlich hatten die fleißigen Hände von Annette, Martin, Chris und auch Manuela all unsere Habseligkeit zusammengepackt und wir machten uns, ca. 2 Stunden nach der Geburt, glücklich auf den Weg nach Hause…

Unsere ganz persönliche neue Zeitrechnung hat ihren Anfang gefunden. Danke das wir hier im Geburtshaus damit beginnen durften, Danke an Manuela und Chris, an Annette und Martin, die Maeve und mich auf diesem, unseren einzigartigem Geburts-Weg, begleitet haben.

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