Die Möglichkeit einer Geburt im Geburtshaus hatte ich im Hinterkopf seit zwei ehemalige Kolleginnen vor vielen Jahren in einem Geburtshaus entbunden hatten und mir davon erzählt hatten. Als sich bei uns Nachwuchs ankündigte, bin ich auf das Geburtshaus Stuttgart-Mitte gestoßen. Mein Mann und ich besuchten daraufhin eine Info-Veranstaltung und nach einem eingehenden Beratungsgespräch entschlossen wir uns trotz eines etwas weiteren Anfahrtsweges Anfang des 5. Monats zu einer Geburt im Geburtshaus. Von da an fanden die Vorsorgeuntersuchungen im Wechsel in der Hebammenpraxis und bei meinem Frauenarzt statt. Die Vorsorgeuntersuchungen in der Hebammenpraxis waren sehr wichtig für mich, gaben sie mir doch die Möglichkeit in der Hektik des Alltags die Ruhe um ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis zu meinem ungeborenen Kind aufbauen zu können. Die Hebammen haben sich sehr viel Zeit für mich genommen, sie haben meine Sorgen und Ängste vor Geburt und Muttersein ernst genommen, mit mir daran gearbeitet und nach Lösungen gesucht. Sie haben mir beigebracht auf meine Gefühle zu hören und darauf zu vertrauen, dass ich mit der Kraft, die ich habe, viele schwierige Situationen meistern kann. Ich habe eine sehr intensive Betreuung in der Hebammenpraxis genossen und ich bin mir sicher, dass ohne das so entstandene Vertrauen die Geburt und das Wochenbett nicht so positiv verlaufen wären.

Bereits zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin hatte ich immer wieder leichte Wehen, die aber entgegen meiner Bemühungen immer wieder aufhörten. Sonntagmorgen, zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin, bemerkte ich beim Aufstehen, dass die Fruchtblase geplatzt war. Nachdem mein Mann und ich gefrühstückt hatten, rief ich die Bereitschaftsnummer des Geburtshauses an. Katharina war am Telefon und wir vereinbarten, dass wir uns um 11 Uhr mit Chris im Geburtshaus treffen würden. Vorgesehen war eigentlich, dass wir nach Gabe einer Infektionsprophylaxe wieder nach Hause fahren um dort zu warten bis die Wehen stärker werden. Trotzdem haben wir die Taschen für die Geburt und den Kindersitz ins Auto gelegt. Das hat sich auch als sinnvoll herausgestellt, da ich bereits während der 45-minütigen Autofahrt nach Stuttgart regelmäßig Wehen hatte. Wir beschlossen also im Geburtshaus zu bleiben.

Gegen 14 Uhr waren die Wehen deutlich stärker geworden und der Muttermund bereits 4cm geöffnet. Ich war froh es schon so weit geschafft zu haben und mir sicher, dass ich alles gut schaffen würde. Die Wehen veratmete ich teilweise im Vierfüßlerstand oder stehend auf die Mauer neben der Badewanne gestützt. Gegen 15:30 Uhr waren die Wehen schon sehr stark und ich richtig erschöpft. Ich habe versucht mich hin zu legen, aber jede Wehe zwang mich wieder dazu auf zu stehen. Katharina hat dann noch einmal untersucht. Die Untersuchung hat ergeben, dass der Muttermund um 17 Uhr bei 6cm war. Die Wehen kamen zu diesem Zeitpunkt auch schon alle zwei Minuten, so dass ich mich dazwischen kaum noch entspannen konnte. Katharina hat deshalb vorgeschlagen in die Badewanne zu gehen. Gesagt getan. In der Wanne konnte ich mich während der Wehenpausen etwas besser entspannen, aber mittlerweile hatte ich wirklich Angst bald keine Kraft mehr zu haben. Im Nachhinein denke ich, dass es diese Angst vor dem was noch kommen würde war, die mir die nächsten Stunden wirklich schwer gemacht hat. Katharina hat versucht mir Mut zu machen und mich immer wieder daran erinnert, dass ich mich auf den jetzigen Moment konzentrieren soll und nicht auf das, was noch kommen könnte. Sie hat mir erklärt, dass ich noch sehr viel Kraft habe und sie sich sicher ist, dass ich, was meine Kraft betrifft, es schaffen kann. Katharina hat mir aber auch gesagt, dass ich jederzeit das Recht auf eine Verlegung und eine PDA habe. Ich wollte unser Kind aber im Geburtshaus zur Welt bringen.

Nach diesem Gespräch bin ich wieder raus aus der Wanne. Von da an habe ich die Wehen im Stehen veratmet, was um einiges besser gegangen ist, vor allem nachdem mir Katharina das Atemschiffchen gezeigt hatte. Trotzdem hatte ich immer noch Angst es nicht zu schaffen. Um 19:30 Uhr kam dann Chris dazu und die Untersuchung um 20 Uhr hat ergeben, dass der Muttermund bei 7cm war. Allerdings hat Katharina auch festgestellt, dass sich das Köpfchen noch nicht richtig gedreht hatte. Chris und Katharina haben mir deshalb die Möglichkeit einer Verlegung aufgezeigt. Ich wollte es aber weiter im Geburtshaus versuchen.

Irgendwann um diesen Zeitpunkt herum habe ich aufgehört mir Gedanken um den weiteren Geburtsverlauf zu machen und es geschafft, mich auf den Moment zu konzentrieren. Mit Katharinas und Christianes Hilfe konnte ich jetzt die Wehen auch wieder besser veratmen. Um 20:40 Uhr war der Druck nach unten so stark, dass die Hebammen beschlossen haben noch einmal zu untersuchen. Die Untersuchung hat ergeben, dass sich das Köpfchen leider immer noch nicht richtig gedreht hat. Deshalb haben sich Katharina und Chris dazu entschlossen uns in die Klinik zu verlegen. Mittlerweile war mir fast alles egal, die Aussicht auf eine PDA verlockend, die Vorstellung aber in eine Klinik zu kommen, in der ich mich möglicherweise in einen Ablauf einfügen musste, der nicht meinem Rhythmus entsprach, machte mir Angst.

Während wir auf den Krankentransport gewartet haben, sind wir schon mal langsam in den Hof gelaufen. Ich hatte mittlerweile Presswehen, durfte aber nicht mitschieben, weil ja der Kopf nicht richtig gedreht war. Weil der Krankentransport doch länger gebraucht hat als gedacht, sind wir wieder ins Haus gegangen, wo ich, mich ans Treppengeländer klammernd, die Wehen weiter veratmet habe. Plötzlich habe ich gemerkt, dass sich jetzt was tut und dass unser Kind gleich kommt. Wir sind dann sofort wieder runter ins Geburtshaus, wo ich mich an der Mauer neben der Badewanne festgehalten habe.

Fünf Minuten später, um 21:35 Uhr, wurde unsere Tochter im Stehen geboren. Eine der Hebammen hat mich dann ins Bett gebracht, mein Mann hat sich dazu gelegt und ich habe unsere Kind in die Arme bekommen. Ein unbeschreibliches Gefühl! Sie hat ein Auge geöffnet und uns staunend angeschaut und wir konnten diese ersten Momente in völliger Ruhe genießen. Für uns war es sehr wichtig die ersten Stunden mit unserer Tochter ohne Zeitdruck ungestört verbringen zu können, also keine Rücksicht auf einen Klinikbetrieb nehmen zu müssen, wie zum Beispiel in ein anderes Zimmer verlegt zu werden. Auch heute noch sind wir davon überzeugt, dass diese ersten Stunden in absolut entspannter Atmosphäre dazu beigetragen haben, dass unsere Tochter kaum schreit und ein zufriedenes Kind ist.

Zwei Stunden nach der Geburt hat Katharina mich auf Geburtsverletzungen untersucht und einen kleinen Riss mit zwei Stichen genäht. Chris hat die U1 durchgeführt und sie zusammen mit meinem Mann angezogen während Katharina mich zur Dusche gebracht hat.

Dreieinhalb Stunden nach einer doch überraschend schnellen und schönen Geburt konnten wir nach Hause fahren. Als wir gegen 2 Uhr morgens erschöpft aber glücklich eingetroffen sind, waren wir sehr froh die ersten Tage mit unserem Kind in gewohnter Umgebung verbringen zu können. Sie musste sich nicht nach einigen Tagen umgewöhnen, ich konnte in meinem eigenen Bett liegen und die eigene Dusche benutzen. Für mich sehr wichtige Dinge. Die Nachsorge wurde aufgrund der weiten Entfernung nicht durch eine Hebamme des Geburtshauses durchgeführt, was aber absolut kein Problem war. Wir hatten jederzeit das Gefühl von unserer Nachsorgehebamme Ines bestens versorgt zu werden und haben in keiner Weise eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wie im Krankenhaus üblich vermisst.

Die Kleine ist jetzt fast 5 Monate alt und wir denken oft an diese ereignisreiche Geburt zurück, die ich mit Sicherheit ohne den Geburtsvorbreitungskurs und die Unterstützung der Hebammen während der Vorsorge und der Geburt nicht so positiv erlebt und in Erinnerung behalten hätte.

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